Geschichte

Die Geschichte der Sternwarte beginnt schon lange vor deren Planung. Denn sie verdankt ihre Existenz dem als 'Bauernastronom' berühmt gewordenen Johann Kern (1895-1975). Dieser war in seinem Heimatort Steinmark (Spessart) sein ganzes Leben lang als innovativer Geist bekannt, wenn dies wahrscheinlich auch von vielen Menschen eher belächelt wurde. So soll hier als Beispiel die 'Elektrifizierung' seines Hofes mit Hilfe eines Wasserrades bereits zu Beginn des Jahrhunderts erwähnt werden. Doch er war auch sehr stark von der Astronomie geprägt, was er auf einem Vortrag 1957, den er auf Einladung an der Sternwarte Bochum halten durfte (für ihn ein sehr bedeutender Tag), amüsant darlegte:

"Von allen Menschen, die privaten Leidenschaften nachgehen, sind wir am schlechtesten dran; denn wer sich mit der Astronomie befaßt, der muß nachts heraus, wenn andere sich in den Betten räkeln. Und glauben sie mir, es ist bitterkalt in einer sternklaren Winternacht, wenn ich auf dem Hügel meiner Sternwarte im Freien stehe und ins All blicke. Aber das, was ich sehe, entschädigt mich für alle Entbehrungen."

Mit der Sternwarte von der er hier redete, war seine berühmte Privatsternwarte 'Spessart' gemeint, die ihre Bekanntheit nicht zuletzt ihrem 42cm Spiegel (siehe Bild) verdankte. Es war sogar geplant die Sternwarte zu einer Art Pension ('Ferien an der Sternwarte') auszubauen, aber dieses Projekt konnte später nicht mehr realisiert werden.

Dann im Jahre 1962 beschloß er den Bau eines großen Newton-Teleskops (61cm Durchmesser und 300cm Brennweite), um damit sein Instrumentarium zu erweitern. Dabei hatte er vor allem die Beobachtung von Galaxien im Sinn (wobei zu erwähnen ist, daß er es hierbei in seinem Leben mit mehr als 1000 Galaxien zu einigem Erfolg gebracht hat). Natürlich war dieses Projekt nicht mit eigenen Mitteln zu realisieren, weshalb er sich um die Unterstützung der Industrie bemühte.

"Im November las ich in meinem Buch 'Fernrohre und Ihre Meister'; da las ich daß die Amerikaner seit 1890 alle ihre Fernrohre durch Spenden errichten.",schrieb er nieder. "Da kam ich auf den Gedanken, das kannst du auch einmal probieren! Ich dachte mir, ein Spiegelteleskop mit einem 60cm-Spiegel kannst du dir aufbauen, um recht tief in den Himmel schauen zu können. Nun ging ich ans Werk. Tag für Tag schrieb ich Bettelbriefe um Unterstützung an Industieunternehmen und große Firmen."

Diese 'Bettelbriefe' machten sich in erstaunlicher Weise bezahlt. Der 60cm Spiegel wurde von SCHOTT MAINZ hergestellt und von ZEISS JENA geschliffen.

Im Jahre 1963 erhielt Johann Kern das Bundesverdienstkreuz am Band.

Im September 1964 war es schließlich soweit. Das riesige Teleskop wurde in einem abfahrbaren Schuppen auf einer Englischen Montierung befestigt. Die beweglichen Teile des Teleskops haben ein Gewicht von 1,4t ! Um das Beobachten zu erleichtern, benutzte Johann Kern eine automatische Hebebühne (siehe Bild).

Leider war Johann Kern ab 1969 nicht mehr in der Lage an seinem Teleskop zu beobachten, und so trat das unvermeidbare ein: das Teleskop blieb ungenutzt. Glücklicherweise erwarb 1976 ein Wertheimer Bürger das Gerät.

Um es wieder zum Einsatz zu bringen, wurde am 6. April 1978 ein Verein gegründet. Dieser schaffte es, mit Spenden und Zuschüssen das Teleskop wieder herzurichten und eine Sternwarte zu bauen (zweigeschossiger Rundbau mit drehbarer 6m-Aluminiumkuppel von OBSERVA-DOME). Sie liegt etwas südlich von Wertheim, nahe dem Winzerdörfchen Reicholzheim. Diese abgeschiedene Lage garantiert auch heute noch einen relativ dunklen Himmel. Andererseits besitzt die Sternwarte deshalb keinen Stromanschluß, was zu einer autonomen Versorgung mit Solarzellen zwingt.

Um die Jahreswende 1980/81 war es geschafft. Die Sternwarte beherbergte das Spiegelteleskop, das von einer Englischen Achsenmontierung getragen wird. Nachdem im September 1980 die letzten Beobachtungen am alten Standort gemacht wurden, war in Wertheim am 7. Januar 1981 'First Light'. Die Sternwarte war damals nach Berlin die zweitgrößte Privatsternwarte in Vereinsbesitz. Einige Monate später fand am 9. Mai 1981 die offizielle Einweihung der Sternwarte statt, zu der 500 Gäste begrüßt werden durften.

Seit der Einweihung wird die Sternwarte nicht nur für eigene Beobachtungen aus den Reihen der Mitglieder genutzt, sondern steht auch den Schulen und Jugendgruppen je nach Bedarf zur Verfügung. Auch interessierte Besucher haben bei öffentlichen Beobachtungen die Gelegenheit, einen Blick durch das Teleskop zu werfen.

Natürlich blieb auch bei der Johann-Kern-Sternwarte die Zeit nicht stehen. Die ursprüngliche Ausrüstung, das 24-Zoll-Spiegelteleskop, war trotz, oder gerade wegen seiner Größe nicht universell einsetzbar. Nachdem zunächst die Möglichkeiten des vorhandenen Gerätes ausgereizt worden waren, indem man bessere Okulare und Filter kaufte, verlangte ein anderes Betätigungsgebiet nach einem neuen Teleskop. Für Sonnenbeobachtungen war nämlich der 'riesige' Spiegel gänzlich ungeeignet, da er viel zuviel Sonnenlicht sammelt. Aus diesem Grund wurde der Kauf eines zweiten Gerätes beschlossen, das speziell für Sonnen- und Planetenbeobachtungen ausgelegt ist.

Die Wahl fiel dabei auf einen 6-Zoll-'Starfire'-Refraktor (Linsenfernrohr), der ausgezeichnete optische Eigenschaften besitzt und mit einigem Zubehör genau die gewünschten Forderungen erfüllt. Neben einem Binokularansatz für beidäugiges Sehen und einem Chromfilter ermöglicht ein Protuberanzenansatz die Beobachtung von verschiedenen Erscheinungen am Sonnenrand, die sonst nur bei totalen Sonnenfinsternissen sichtbar sind. Einige zusätzliche Okulare für verschiedene Vergrößerungen runden die Neuanschaffungen um den Refraktor ab.

Seit einiger Zeit ist diese Neuanschaffung in unserem zweiten Gebäude - dem Ernst-Sachs-Bau - installiert und ermöglicht die eben genannten Beobachtungen.

Da der grosse Spiegel und der Refraktor nun zwar für alle Objekte geeignete Bedingungen liefern, aber teilweise nicht sehr einfach zu bedienen sind (insbesondere die Handhabung des Spiegelteleskops erfordert sehr viel Erfahrung), wurde als passende Ergänzung noch ein weiteres Gerät erworben. Dieses ist ebenfalls ein Spiegelsystem, jedoch wesentlich kompakter als der grosse Spiegel und mit einer computergesteuerten Montierung ausgestattet.

Wenn Sie durch diesen Text ein wenig neugierig auf die Sternwarte geworden sind, dann setzen Sie sich doch einfach mit uns in Verbindung.